Wiesbaden, 12. Juli 2015 – Heute Morgen gegen 5.30 Uhr kam der Dalai Lama, geistiges Oberhaupt der Tibeter, im VIP-Bereich des Frankfurter Flughafens an. Drei Tage wird er anlässlich seines 80. Geburtstages (der eigentlich schon am 6. Juli war) in Hessen bleiben (MEIN WIESBADEN berichtete). In Polizeibegleitung mit Blaulicht fuhr die Kolonne nach Wiesbaden zum Hotel Nassauer Hof. Dort erwartete den Dalai Lama eine kleine Gruppe Anhänger mit Willkommens-Plakaten. Später versammelten sich Demonstranten auf dem Bowling Green vor dem Kurhaus, riefen lautstark mit Trommelklängen hinüber zum Hotelzimmer des Ehrengastes: „Dalai Lama, hör auf zu lügen!“ und „Dalai Lama, gib Religionsfreiheit“. Die Internationale Shugden Community (ISC) hatte den Protest angekündigt. Die Proteste richten sich laut ISC gegen die angebliche Verfolgung von Shugden-Buddhisten durch den Dalai Lama. Pech für die Demonstranten: Man versteht sie kaum, das rhythmische Trommeln gefällt aber den Passanten.
Weiter hinten im Kurpark hört man davon nix, um 10 Uhr ist Einlass, gegen 11.30 Uhr ist der Park schon gut gefüllt, es herrscht friedliche Ruhe wie bei einem gemütlichen Sonntags-Picknick. Die Kontrollen sind gründlich: Taschen werden geöffnet, Fluchtwege freigemacht, die Zuschauer-Bereiche sind mit Gittern abgetrennt. „Solchen Heckmeck hat es beim letzten Mal nicht gegeben“, sagt eine Besucherin „da waren auch weniger Leute da“.
Im Eröffnungsprogramm singt Dechen Shak-Dagsay tibetanische Musik z.B. „Das Lied der Tiere“ oder „Das Lied von Mutter Erde“ und York Horvest hält den Vortrag „100 Tage Tibet“.
Um 13.20 Uhr treffen die Promis im abgesperrten Bereich vor der Bühne ein: Europaabgeordneter Thomas Mann, Bürgermeister Arno Goßmann, Hessens Finanzminister Thomas Schäfer, Ordnungsdezernent Oliver Franz, Ex-Ministerpräsident Roland Koch mit Gattin Anke.
13.42 Uhr: Der Dalai Lama trifft ein, nimmt auf rotem Samt-Thron platz. Alle erheben sich, Applaus, tausende Handyfotos. Der Dalai Lama wird vom Vorstand des Vereines Freunde für einen Freund begrüßt. Dann singt Dechen für ihn ein „Mitgefühl-Mantra“.
Bürgermeister Arno Goßmann (SPD) in seiner Begrüßungs-Rede: „Wiesbaden freut sich auf Eure Heiligkeit. Sie waren zu Ihrem 70. Geburtstag hier und sind es jetzt zu Ihrem 80. wieder. Es ist eine Ehre für Wiesbaden.“ Claudia Roth (Grüne), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, begrüßt den Dalai Lama in krachgrünem Kleid: „Danke für 56 Jahre gewaltlosen Widerstand.“ Sie fordert Peking auf, den Dialog aufzunehmen. Tibet solle frei leben können.
Ex-Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagt: „Wir stehen hinter ihm in seinem Kampf für sein Volk. Der Dalai Lama ist in diesem Bundesland ganz besonders willkommen. Die meisten die hier sind, wollen eine tiefe Freundschaft mit China. Aber wir sind davon überzeugt, dass eine Freundschaft mit China nicht das Ende einer friedlichen Gesellschaft sein darf.“ Zum Schluss dankt Roland Koch dem Dalai Lama persönlich auf Englisch, er habe von ihm Geduld gelernt und hofft ihn noch oft hier begrüßen zu dürfen.
Um 14.28 Uhr spricht der Dalai Lama dann endlich live (auf Englisch) zu den Besuchern im Kurpark:
„Liebe Brüder und Schwestern, wieder einmal sind wir hier, dieser Platz ist meinen Herzen nahe. Vertrauen ist die Basis von Freundschaft. Für uns Menschen ist Freundschaft essentiell.
Dieser Ort der so schön grün ist, zeigt uns, wie wichtig eine intakte Umwelt ist. Die Vögel die von Baumwipfel zu Baumwipfel fliegen, machen diesen Tag noch schöner.“ Da lacht der Dalai Lama. Weiter sagt er: „Ich danke den Rednern, die ihre ernste Sorge um Tibet zum Ausdruck gebracht haben. Unsere Freundschaft wird bis in nächste Leben reichen. Die Kraft der Wahrheit ist mächtiger als die Kraft der Gewalt. Alle 7 Milliarden Menschen auf der Welt sind gleich, alle wollen glücklich leben, alle haben das Recht auf ein glückliches Leben.
Wir stehen vielen Problemen gegenüber.“ Er spricht über den Krieg: Menschen sollten erkennen: „Zerstörung ihres Feindes ist ihre Zerstörung. Deutschland ist Teil der EU. Früher haben Frankreich und Deutschland gegeneinander gekämpft. Das ist altes Denken. Heute empfinden sich Deutschland und Frankreich als Freunde. Der Spirit, der hinter der EU steht, der Geist der Einheit, sollte nicht vergessen werden.“ Dann lädt er den Übersetzer zu einer Pause ein, gibt ihm Wasser, lacht sein markantes „hihihi“.
Weiter sagt der Dalai Lama: Jeder der 7 Milliarden Menschen solle eine friedvolle Welt anstreben. Bildung sei auf materielle Werte ausgerichtet. Starke Überzeugung und moralische Werte wie Toleranz, Respekt und Freundlichkeit seien wichtig. Unter den sieben Milliarden Menschen gäbe es eine Milliarde, die sich keinem Glauben zugehörig fühlen: „Gläubige und Ungläubige verdienen unseren Respekt. Wir müssen etwas gegen Atomwaffen tun. Ein Gebet allein wird keinen Frieden bringen. Es liegt in unserer Verantwortung, die Konflikte zu lösen. Der innere Friede ist das Entscheidende“. Zu den Religionen führt er aus: „Ich habe Hindus, Juden, Christen und Muslime kennengelernt. Alle Religionen haben das Potenzial uns etwas zu geben. Religiöse Harmonie ist wichtig. Ich möchte Sie bitten, etwas für den Geist der Verständigung zwischen den Religionen zu tun. In den vergangenen zwei Wochen in Indien, England und USA gratulierten mir viele Menschen zum Geburtstag und fragten, was ich mir als Geschenk wünsche. Wenn Sie Warmherzigkeit zeigen und die Werte in sich selbst zu entwickeln und zu stärken, das ist das beste Geschenk.
15.26 Uhr Der Dalai Lama beantwortet Fragen aus dem Publikum: Sind Sie glücklich mit den Leben mit so viel Politik? „Ja. Ich bin überzeugt, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Wenn Sie das was Sie tun in einer aufrichtigen, transparenten Art tun, entwickelt sich eine innere Stärke.“
Glauben Sie, dass Sie in Ihre Heimat zurückkehren können? „Ja, sicher. Vieles hat sich in China zum Besseren verändert. Aber in einem totalitären System ist das schwer vorherzusehen.“
Was können wir tun, um das Ego der Menschen zu vermindern, um den Planeten zu retten? „Mut, positives Selbstbewusstsein, Wohlverhalten gegenüber anderen, guten Menschenverstand. Angst frisst unser System. Sich um andere zu kümmern ist hilfreich für unser Leben. Es ist nützlich die Landkarte der Emotionen zu studieren.“
Können Kunst und Kultur Frieden schaffen? „Ja, ich denke Kunst ist ein wichtiges Medium, um Inhalte zu übermitteln.“
Für wen oder was leben Sie? „Ich glaube der Zweck unseres Lebens ist Glück. Es ist in jedermanns Interesse eine glückliche Welt aufzubauen.“
Frage von einem Mann aus China: Wir lieben Sie sehr, Wann kommen Sie zurück nach China, wir möchten von Ihnen lernen? „Das müssten Sie die Chinesische Regierung fragen. Sobald ich ein positives Signal bekomme, komme ich sehr gerne.“
Letzte Frage einer Dame aus dem Publikum: Wo können wir Beispiele für das von Ihnen angesprochene Schulsystem finden? „Seit 10 Jahren spreche ich mit Erziehungswissenschaftlern über ein passendes System. Die Universität von British Columbia hat das System von Wohlverhalten bereits übernommen.“
Sprach’s, sagte „Good Bye“ und geht jetzt „duschen und schlafen“ im Nassauer Hof. Übrigens: Die Demonstranten trommeln und rufen immer noch vor seinem Hotel…
Pingback: Gestern war der Dalai Lama in Wiesbaden | Zweitesselbst's Blog