Wiesbaden, 11. September 2015 – Welche Pläne hat die Stadt für den Gesundheitsstandort? Welche Rolle spielen darin die Akutkrankenhäuser, die umfangreiche Umbauten und Sanierungsarbeiten planen? Können die Klinikbetreiber zum Zugpferd der Entwicklung werden? Diese Fragen sollte die Diskussionsrunde „Medlounge“ gestern Abend in der Kurhaus-Rotunde klären. Der Verein Gesundheitswirtschaft Rhein-Main e.V. hatte eingeladen, etwa 50 zum Teil hochkarätige Gäste kamen.
Florian Gerster (SPD, Foto oben), Ex-Gesundheitsminister in Rheinland-Pfalz, Ex-Leiter der Bundesagentur für Arbeit und Vorsitzender des Gastgeber-Vereins, startete den Abend freundlich, lobte die Anziehungskraft Wiesbadens als Gesundheitsstandort. Wichtig sei „vermarkten und Netzwerke bilden“. Sein Tipp: Ein „Komplettangebot“ schnüren aus Kultur (z.B. Events des Rheingau Musik Festivals in Wiesbaden) und Gesundheit.
Dann startete die Podiumsdiskussion. Thema: Die Zukunft des Gesundheitsstandortes Wiesbaden.
Axel Imholz (SPD), Wiesbadens Gesundheitsdezernent und Kämmerer, lobte: „Das medizinische Angebot ist in Breite und Qualität in Wiesbaden sehr gut. Natürlich gibt es bei der klinischen Versorgung auch mal Diskussionen. Wir hatten das ja zu Qualität des Essens oder Staubflocken im Zimmer.“ Aber insgesamt gehe es Wiesbaden im Bereich Gesundheit fast zu gut: „Es fehlt uns eigentlich an Problemen. Da braucht man keinen Gesundheitsdezernenten.“ Aber dann fielen Imholz doch noch zwei Probleme ein: „Ich suche einen Leiter für das Gesundheitsamt. Sachdienliche Hinweise erbeten.“ Die Stelle ist immerhin schon seit einem Jahr nicht besetzt. Und, so Imholz weiter: „In Kostheim suchen wir Ärzte. Und gut ausgebildete Fachkräfte werden uns auch abgeworben, da müssen wir uns auch Gedanken machen.“
Sötkin Geitner, Vertragsgebietsleiterin Hessen der DAK, wollte auf die Frage „Ist Wiesbaden gesünder als Offenbach?“ nicht direkt antworten: „Nein, das würde ich mir nicht zutrauen zu sagen.“ Dafür hatte sie Zahlen mitgebracht: „Wiesbaden ist gut ausgestattet. Es gibt 5 Kliniken, 27 Pflegeeinrichtungen, 2 Hospize, 200 Ärzte und Hausärzte.“
Die Herausforderung der Zukunft sei die Vernetzung und Digitalisierung „Im Moment sind das Insellösungen“, so Geitner weiter.
Corinna Glenz, Regionalgeschäftsführerin HELIOS Kliniken Region Mitte-West und gebürtige Wiesbadenerin, leitet neun Kliniken, darunter die Helios Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) in Wiesbaden.
„Es geht um Angebot und Nachfrage. Der Patient ist heute wohl informiert, wählt nicht das nächste, sondern das Krankenhaus, das er für das beste hält.“ Nicht immer sei das Geschäft mit den Kliniken eine Liebesheirat.
„Es gibt hohe Instandhaltungskosten, etc. Wir müssen uns für die Zukunft fit machen“. Geplant sei unter anderem ein Ausbau im Bereich Neuro-Radiologie für Schlaganfall-Patienten. Auch die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten sei wichtig
Glenz: „Ich würde mir wünschen, dass niedergelassene Ärzte auf uns da mehr zukommen. In Bad Schwalbach haben wir ein Medizinisches Versorgungszentrum aufgebaut. Wir haben Interesse daran, ambulant mit stationär zu verzahnen.“
Der Wiesbadener Orthopäde Dr. Manfred Krieger plant im Odenwald gleich mobile Arztpraxen in einem LKW: „Sie müssen sich da einen großen Lastwagen vorstellen mit einem Sprechzimmer links und einem rechts.“ Das Ziel: „Wir müssen gute Hausärzte ins Netz bekommen. Bei den mobilen Arztpraxen muss keiner für ganz kleines Geld im Odenwald wohnen oder mit seiner Familie dahin umziehen.“ Überhaupt sei auch bei den Ärzten nicht der Reichtum ausgebrochen: „Wir haben hier auch niedergelassene Ärzte, die an der Grenze des Existenzminimums arbeiten, z.B. in Klarental, Kostheim, wo es wenig Privatpatienten gibt. Und es gibt Eitelkeitswände zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärtzten. Remissionsraten (das Nachlassen von Krankheitssymptomen bei behandelten Patienten) würden zum Beispiel nach Kliniken berechnet, nicht nach Chirurg.
Dr. Michael Weidenfeld, Vorsitzender der Bezirksärztekammer Wiesbaden, wünschte sich: „Die Ausbildung der Ärzte und medizinischen Fachangestellten in Wiesbaden könnte verbessert werden.“
Der hausärztliche Bereitschaftsdienst funktioniere und der Gesundheitsstandort Wiesbaden sei gut. Wichtig sei aber, an die Infrastruktur zu denken, um neue Ärzte anzulocken. Sie kämen: „Wenn die Ärzte in Wiesbaden eine Wohnung kriegen und die Kinder versorgt werden.“
Martin Bosch, Geschäftsführer St. Josefs-Hospital Wiesbaden, sagte:
„Wiesbaden ist nicht schlecht. Es gibt keine stationäre Überversorgung“. Sein Plan für die Zukunft der Klinik: „Weiter vernetzen mit niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern.“
Diskutierten in der Kurhaus-Rotunde (v.l.): Gesundheitsdezernent Axel Imholz (SPD), DAK-Gebietsleiterin Sötkin Geitner, Helios-Regionalchefin Corinna Glenz, Orthopäde Dr. Manfred Krieger, Moderator und Kurier-Chefredakteur Stefan Schröder, Bezirksärztekammer-Chef Dr. Michael Weidenfeld, St.-Josefs-Hospital-Geschäftsführer Martin Bosch
Florian Gerster begrüßte die Gäste in der Kurhaus-Rotunde