Wiesbaden, 12. Februar 2016 – Kleiner Eingang, große Namen: In der Nerostraße 24 ist Wiesbadener Party-Geschichte zuhause. Das „Gestüt Renz“ hat dort im Dezember seinen 12. Geburtstag gefeiert. Doch Event-Insider Peter Schmidt erinnert sich für MEIN WIESBADEN an noch viel mehr:
Da gab es mal einen Jazz-Club in der Nerostraße 24, in dem die Großen, die wirklich ganz, ganz Großen ein- und ausgingen. Da wurde in den sechziger und siebziger Jahren Jazzgeschichte geschrieben. Relaxte Atmosphäre, jede Woche Blue-Monday-Session. Filmreife Szenen, jeden Montag mischen andere mit. Auch sonst wird getanzt, gesoffen und geschimpft. Im „Jazzhouse“ regierte Helga und Albert Butz und plauderte gerne mit der besoffenen „Masse“ – einem begnadeten Saxofonisten.
Hier kellnerte „Oscar“, jonglierte über den Köpfen der tobenden Meute sein volles Tablett mit Bier. Wer abweichende Orders erteilte, gar Schmalzbrote oder Soleier nachzufragen wagte, wurde böse zusammengestaucht. „Kriegt ihr zu Haus‘ nix zu essen?“ Erzählungen nach wurde bei Oscars Beerdigung von Jazz-House-Stammgästen Bier und Schnaps ins Grab gekippt.
Hier trafen sich nicht nur die jungen Leute. „Bei uns war jeder willkommen, ob direkt vom Bahnhof oder vom Theater im Smoking“ erzählte Butz einmal.
Im „Jazz House“ wurde gefeiert und zur Musik der Zeit getanzt, es gab auch regelmäßig Live-Sessions mit Musikern wie Albert und Emil Mangelsdorf, Volker Kriegel oder Tom Woll.
Und hier sollen auch die wirklich ganz, ganz Großen gespielt haben – darunter Bessie Smith, John Lee Hooker und
Pete Johnson.
Später wurde aus dem „Jazz House“ das „Wirtshaus“ und das musste Anfang 2003 sang- und klanglos schließen. Die Zeit des Wirtshauses war einfach vorbei.
Im Dezember 2003 eröffneten dann die damaligen Betreiber Joerg Lichtenberg, Armin Braun und Andreas Müller das ehemalige „Wirtshaus“ als Gestüt Renz.
Heute wie in alten Zeiten spielt hier das volle Leben. Einzig die große, quadratische Bar erinnert noch an früher. Im vorderen Bereich befindet sich die Lounge mit Sitzelementen. Die Wände sind holzgetäfelt. Der hintere Clubraum präsentiert sich mit floraler Tapete, gemütlichen Lounge-Ecken, einer großen Bar und dem DJ-Arbeitsplatz.
Heute sind die Macher Nadine Gärtner (Betriebsleiterin) und Jörg Lichtenberg (Inhaber).
Ab Mittwoch (19 bis 2 Uhr) läuft der Bar-Betrieb, wo die Gäste auch mal nur auf einen Drink vorbeikommen. Am Wochenende wird’s dann richtig voll, wenn hier namhafte DJs zum Tanz bitten. An der Bar (ab 19 Uhr) trifft man sich auf „a Glaserl Prosecco“ oder einen gepflegten Cocktail, während im Club (ab 22 Uhr) Bier, Jägermeister aber auch Champagner in Strömen fließen.
Unter mehreren Discokugeln wird dann bis 4 Uhr früh getanzt, was das Zeug hält.
Die Mischung macht’s – Schick trifft auf Trash, reich auf schön und alle sind dabei und das gefällt auch den Promis – die hier keinen VIP-Bereich haben.
Ben Becker hat hier mit den Gästen bis in die frühen Morgenstunden gefeiert und dann noch einem Schauspieler des Staatstheaters Tipps gegeben. Tom Gerhardt hatte sogar in Köln vom Gestüt Renz gehört und kam extra deswegen nach Wiesbaden.
Reminiszenz an die “Jazz House”-Tradition des Hauses ist unter dem Motto „Mr. Mojo’s Jazz Bar“ eine Art „Jazz House Revival“: Eine Reminiszenz an großartige, handgemachte Musik – von Jazz bis R’n’B. „Mr. Mojo“ ist der Wiesbadener Wolfgang Kerl, der im Radio und bei Parties seit Jahrzehnten Jazz-Stile mixt. Zu hören auch auf Radio Rheinwelle mittwochs von 15-17 Uhr, 14-tägig in den ungeraden Wochen. Oder live in der Nerostraße 24, donnerstags, ab 19 Uhr. Wenn noch mehr Party-Geschichte geschrieben wird.
Text: Peter Schmidt
Foto oben: Gestüt Renz im September 2009: Ben Becker (l.) mit Marcus Ernst (Event Service Ernst & Gestüt Promotion Mann) Foto: Gestüt Renz
Foto Mitte: Gestüt Renz bei Nacht Foto: Gestüt Renz
American Folk Blues Festival, Jazz House, Wiesbaden Nov. 1963
Sonny Boy Williamson 4. Nov 1963 „American Folk Blues Festival“ Tour Jazzhouse Wiesbaden
Foto: http://www.tela.sugarmegs.org
Wolfgang Kerl (Radiomacher und DJ), als DJ Mr. Mojo Jazz House Revival Foto: W. Kerl
Nadine Gärtner (Betriebsleiterin Gestüt Renz) mit Inan Lima Sep. 2015 Foto: Peter Schmidt
Schauspieler Tom Gerhardt und Nadine Kettenbach April 2010 Gestüt Renz Foto: Gestüt Renz
Gestüt Renz Sep. 2009 v.l.: Dj A. Lee, Ben Becker, Kai Kauermann (stadtleben.de) Foto: Gestüt Renz
Gestüt Renz best of 2010 Foto: port01 Wiesbaden
Hat dies auf Zweitesselbst's Blog rebloggt und kommentierte:
Ja, das alte „Jazzhouse“ kenn ich auch noch aus den Zeiten. Hab früher mal nebenan gewohnt. ^^